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Berechnung
Supergrün

Erneuerbare Energiequellen stellen die ökologisch und ökonomisch nachhaltigste Form der Stromversorgung dar. Die Erzeugung von Solar- und Windstrom ist allerdings wetterbedingten Schwankungen ausgesetzt. Dadurch gibt es Zeiten, in denen mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen („EE-Strom“) erzeugt wird, als aktuell nachgefragt wird und es gibt Zeiten, in denen der EE-Strom nicht ausreicht, um die aktuelle Nachfrage zu decken.

Um diese Schwankungen auszugleichen, wird die Stromversorgung auf absehbare Zeit steuerbare Stromquellen benötigen. Steuerbare Quellen sind heute v.a. thermische Kraftwerke (z.B. betrieben mit Steinkohle oder Erdgas) sowie Pumpspeicherkraftwerke. In Zukunft werden auch Großbatterien und Wasserstoffspeicher als steuerbare Quellen zur Verfügung stehen. Steuerbare Quellen sind im Allgemeinen deutlich teurer als EE-Strom und im Falle von fossilen Kraftwerken verantwortlich für die gesamten CO2-Emissionen der Stromversorgung. Daher umfasst eine Stromversorgung idealerweise nur so viele steuerbare Quellen wie nötig (um die Netzstabilität und Versorgungssicherheit sicherzustellen), aber so wenige wie möglich (um die Gesamtkosten und CO2-Emissionen der Stromversorgung zu minimieren).

Mittels Demand-Side-Management (DSM) lassen sich die Anzahl an benötigten steuerbaren Quellen und damit die Gesamtkosten der Energieversorgung reduzieren. DSM folgt einer einfachen Logik: Es ist sinnvoll seinen Stromverbrauch so zu planen, dass möglichst nur dann verbraucht wird, wenn viel EE-Strom verfügbar ist. Auf diese Weise lässt sich der Einsatz von steuerbaren Quellen reduzieren und sich damit die CO2-Emissionen und der Strompreis senken. Außerdem ist jede steuerbare Quelle, die nicht bereits in der Planung benötigt wird, eine weitere Stromquelle, die im Notfall hochgefahren werden kann, um das Netz zu stabilisieren. Strom bevorzugt dann zu verbrauchen, wenn viel EE-Strom verfügbar ist, erhöht folglich die Versorgungssicherheit und reduziert die Netznutzungsentgelte.

StromGedacht verfolgt die Vision, ein ganzheitliches Demand-Side-Management-Signal beizusteuern. Mit Supergrün wird anzeigt, wann die tatsächliche EE-Verfügbarkeit, das heißt die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, in Baden-Württemberg besonders hoch ist. Im Folgenden wird erklärt, wie das Supergrün-Signal ermittelt wird.

Die regionale EE-Verfügbarkeit hängt vom regionalen Stromverbrauch, der regionalen EE-Stromerzeugung sowie den möglichen EE-Stromimporten ab. Die ersten beiden Werte lassen sich durch die regionale Residuallast zusammenfassen. Diese ist die Differenz des Stromverbrauchs und der EE-Erzeugung jeweils in Baden-Württemberg. Scheint bei uns in Baden-Württemberg die Sonne, so ist unsere Residuallast relativ niedrig und im Sommer sogar gelegentlich negativ (d.h. es wird in Baden-Württemberg mehr EE-Strom erzeugt, als verbraucht werden kann).

Abgesehen von diesen besonders sonnigen Tagen ist eine hohe EE-Verfügbarkeit nur durch EE-Importe möglich. Die Prognose der EE-Importe ist komplex, da strenggenommen alle Stromflüsse in Europa berücksichtigt werden müssten. Um das Supergrün-Signal mit ausreichend Vorlaufzeit anzukündigen und um es leicht nachvollziehbar zu machen, haben wir uns für eine vereinfachte Berechnungsvorschrift entschieden. Zusätzlich möchten wir die Anzahl der für die Berechnung genutzten Größen so weit wie möglich reduzieren, da einerseits jede weitere Größe mit der damit verbundenen Prognoseunsicherheit auch den Fehler der Supergrün-Prognose erhöht und andererseits jede weitere Datenquelle bei Ausfällen die Verfügbarkeit des Supergrün-Signals beeinträchtigt. Aus diesen Gründen betrachten wir nur EE-Importe aus den deutschen Regelzonen.

Ob größere Mengen an EE-Importen zur Verfügung stehen, hängt insbesondere von der (nord-)deutschen Windstromerzeugung ab. Daher können die theoretisch verfügbaren EE-Importe grob als ein Anteil der deutschen Windstromerzeugung abgeschätzt werden. Baden-Württemberg verbraucht etwa ein Siebtel des deutschen Stroms. Das heißt, ohne weitere Beschränkungen würde auch ein Siebtel des Windstroms bei uns verbraucht werden. Bei der Supergrün-Berechnung setzen wir einen niedrigeren Anteil von einem Zehntel an, um zu berücksichtigen, dass wir die deutsche Solarstromerzeugung ignoriert haben und die baden-württembergische Windstromerzeugung doppelt berücksichtigt haben. Dieser groben Schätzung folgend wäre eine 100%ige EE-Verfügbarkeit in Baden-Württemberg gegeben, wenn

Residuallast Baden-Württemberg < 0,1 · Windstromerzeugung Deutschland

Diese Schätzung lässt allerdings Netzengpässe außer Acht und ist daher insbesondere bei einer hohen norddeutschen Windstromerzeugung zu optimistisch. Durch Netzengpässe kann nur eine gewisse Menge an Strom vom Norden in den Süden transportiert werden, bevor das Netz überlasten würde. Wie viel Strom tatsächlich transportiert werden kann, ändert sich kontinuierlich und ist beispielsweise abhängig von den europäischen Stromtransiten durch Deutschland. Als typischer Grenzwert, ab dem kein zusätzlicher norddeutscher Windstrom mehr nach Baden-Württemberg transportiert werden kann, hat sich empirisch ein Wert von 3 GW ergeben. Für eine 100%ige EE-Verfügbarkeit in Baden-Württemberg ergibt sich mit dieser Einschränkung:

Residuallast Baden-Württemberg < min(0,1 · Windstromerzeugung Deutschland; 3 GW)

Mit dieser Berechnungsvorschrift schaltet die App auf Supergrün, wenn der Verbrauch vollständig mit EE-Strom gedeckt werden kann. Dieser Idealzustand wird durch den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen in Zukunft immer häufiger anzutreffen sein, heute kommt er allerdings in Baden-Württemberg nur selten vor. Die Logik, möglichst dann Strom zu verbrauchen, wenn die EE-Verfügbarkeit hoch ist, stimmt aber generell und nicht nur bei einer 100%igen EE-Verfügbarkeit, beispielsweise sollte eher bei 70%iger EE-Verfügbarkeit als bei 60%iger EE-Verfügbarkeit Strom verbraucht werden. Das hängt damit zusammen, dass die Grenzkosten jeder weiteren benötigten steuerbaren Quelle überproportional zum zusätzlichen Strombedarf steigen (siehe Merit-Order-Preisfindung an der Strombörse). Analog führt eine geringere Verfügbarkeit von Reservekraftwerken zu höheren Systemdienstleistungskosten (z.B. Redispatch) und damit zu höheren Netzentgelten.

Damit diese vorteilhaften Effekte nicht nur mitgeteilt werden, wenn eine EE-Verfügbarkeit von 100% vorherrscht, haben wir der Berechnungsvorschrift einen weiteren Parameter hinzugefügt. Supergrün wird nun bereits angezeigt, wenn höchstens 1 GW des Verbrauchs in Baden-Württemberg durch steuerbare Quellen gedeckt werden muss (1 GW entspricht grob einem Achtel des baden-württembergischen Verbrauchs):

Residuallast Baden-Württemberg < min(0,1 · Windstromerzeugung Deutschland; 3 GW) + 1 GW


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